Auftaktkonferenz BMBF Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus
Tagungswerk, Berlin
Auf einen Blick
Unter dem Motto „Stadt-Land-Plus: Gemeinsam mehr erreichen für starke Regionen“ soll die Verknüpfung von Stadt und Land in bundesweit verschiedenen Verbundvorhaben mit Akteuren aus Wissenschaft und Praxis neu befruchtet und nachhaltig optimiert werden. Mit der Auftaktkonferenz zur BMBF-Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus am 12.-13. November 2018, in Berlin, werden Impulse für die Vernetzung der beteiligten Akteure gegeben sowie Wege für einen effektiven Transfer der Projektergebnisse sowohl in die Wissenschaft wie auch in die Praxis ausgelotet.
Wesentliche Ergebnisse der Auftaktkonferenz sind:
- Thematische Einordnung der Fördermaßnahme: Die besondere Dringlichkeit und Relevanz der Befassung mit Stadt-Land-Beziehungen wird herausgestellt. Zwölf Verbundvorhaben stellen ihre konkreten Zielsetzungen in Projektclustern vor und diskutieren in parallelen Arbeitsgruppen mit dem Blick auf Alleinstellungsmerkmale und Synergien.
- Unterstützung und Begleitforschung: Vorstellung der Unterstützungsangebote des Projektträgers Jülich und des wissenschaftlichen Querschnittsvorhabens.
- Vernetzung der Verbundvorhaben: Die breit aufgestellten und diversen Forschungskonsortien aus kommunaler Praxis, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft knüpfen untereinander Kontakte.
- Identifikation und Untersetzung der Querschnittsthemen: In parallelen Synthesewerkstätten arbeiten alle Teilnehmer*innen gemeinsame Ziele und Fragestellungen zu übergreifenden Querschnittsthemen heraus.
Die fünf Querschnittsthemen unterstützen sowohl die deutschlandweite Verbreitung und Anwendung der neuen Erkenntnisse wie auch das Erreichen bundespolitischer Ziele. Das Querschnittsthema „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse fördern – Attraktive Regionen gestalten“ unterfüttert die von der Demografiestrategie der Bundesregierung geforderte Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse für strukturschwächere ländliche wie städtische Regionen. Das Querschnittsthema „Digitalisierung – Gemeinsame Chancen für Stadt und Land ergreifen“ geht indes Hand in Hand mit der in der Hightech-Strategie 2025 formulierten Forderung, Chancen der Digitalisierung gezielt zur Stärkung der Attraktivität peripherer und strukturschwacher Regionen einzusetzen. Unter dem Titel „Regionale Nachhaltigkeitsziele verfolgen“ wird diskutiert, wie die internationalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) auf regionaler Ebene fruchtbar werden. Das Querschnittsthema „Mechanismen für stadtregionale Entwicklungsprozesse ausbilden" besitzt eine starke Governance-Dimension. Es wird den Fragen nachgegangen, wie administrative Grenzen und Strukturen überwunden werden können und was der Einsatz innovativer Instrumente, Anreize und Steuerungsansätze bedarf. Das fünfte Querschnittsthema lenkt den Fokus auf „Verstetigung und Transfer“ der Projektergebnisse in den Projektregionen und darüber hinaus.
Programm
Eröffnung der Auftaktveranstaltung zur Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus.
Frau Dr. Vera Grimm, Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), begrüßt die etwa 140 Teilnehmer*innen aus den zwölf geförderten Verbundvorhaben der Fördermaßnahme „Stadt-Land-Plus“. Durch die Veranstaltung führt Katrin Fahrenkrug, Institut Raum & Energie. Die Handzeichen auf Ihre Frage ins Plenum zeigten deutlich, dass die Teilnehmer*innen eine ausgewogene Mischung aus Kommunalpolitik und -verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft repräsentieren.
Frau Dr. Vera Grimm betont den Beitrag der Fördermaßnahme „Stadt-Land-Plus“ für einen nachhaltigen Umgang mit der Ressource Land und für die enge Verflechtung und den Ausgleich der Interessen zwischen Stadt und Land. Als Teil der Leitinitiative Zukunftsstadt im BMBF-Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA³) ist „Stadt-Land-Plus“ die einzige Fördermaßnahme, die explizit das Umland und die ländlichen Räume gemeinsam mit der Entwicklung der Städte adressiert. Mit Stadt-Land-Plus werden wichtige Themenbereiche wie beispielsweise die Förderung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, das Erreichen regionaler Nachhaltigkeitsziele oder die Digitalisierung zur Erschließung gemeinsamer Chancen für Stadt und Land verfolgt. Lösungsansätze und Handlungsoptionen einer starken Stadt-Land-Kooperation stehen hierbei genauso im Fokus wie die Entwicklung von konkreten und umsetzbaren Produkten für die Praxis und von neuen Impulsen für die Forschung.
Herr Christian Bodensteiner, Projektträgerschaft Ressourcen und Nachhaltigkeit - Projektträger Jülich (PtJ), betont die Kontinuität der Fördermaßnahmen des BMBF zum nachhaltigen Landmanagement (z. B. REFINA, Nachhaltiges Landmanagement) und stellt den transdisziplinären Forschungsansatz in Stadt-Land-Plus heraus. Zum ersten Stichtag 2017 sind zwölf Verbundprojekte und das wissenschaftliche Querschnittsvorhaben aus einer Vielzahl von Anträgen ausgewählt worden. Die Besonderheit der fünfjährigen Fördermaßnahme ist zum einen die differenzierte Zusammensetzung der Verbünde mit wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und kommunalen Projektpartner*innen. Zum anderen soll ein Abbruchmeilenstein nach dreijähriger Projektlaufzeit dazu beitragen, den Transfer von der eher theoretischen Konzeptionierungs- und Entwicklungsphase in die Umsetzungsphase zur Demonstration der Praxisreife zu forcieren. Bis September 2018 konnten sich weitere Konsortien um eine Förderung bewerben. In der Ausschreibung zu diesem zweiten Stichtag hatten nun auch schrumpfende Städte und Regionen die Gelegenheit zur Antragstellung., Erfolgreiche Konsortien werden sich an der Fördermaßnahme voraussichtlich ab Frühjahr 2020 beteiligen.
Herr Dr. Stephan Bartke, Umweltbundesamt und Projektleiter des wissenschaftlichen Querschnittsvorhabens Stadt-Land-Plus, erläutert, dass in den letzten Jahren auf europäischer und nationaler Ebene das Umweltbundesamt systematisch analysiert hat, wo es Defizite im Wissen um eine nachhaltige Landnutzung gibt. „Stadt-Land-Plus“ bietet die Chance, innovative Lösungsansätze der BMBF-Forschung aufzugreifen und in die bundespolitischen Prozesse insbesondere für die Anpassung der Nachhaltigkeitsziele und -strategien in Deutschland zu integrieren. Gemeinsam mit Institut Raum & Energie GmbH und der StadtLand GmbH begleitet und unterstützt das UBA als wissenschaftliches Querschnittsvorhaben die zwölf geförderten Verbünde in den kommenden fünf Jahren. Die Auftaktveranstaltung ist der Startschuss des internen Verständigungsprozesses und dient als erster Schritt der Vernetzung. Die Teilnehmer*innen können die anderen Verbundvorhaben mit ihren Zielstellungen und angestrebten Innovationen, die daran beteiligten Forschungseinrichtungen und die Praxispartner aus zahlreichen Kommunen kennenlernen und sich erstmalig intensiv austauschen. In Projektclustern und in Synthesewerkstätten werden thematische Gemeinsamkeiten und Schnittstellen sowie mögliche Querschnittsthemen identifiziert und diskutiert.
Impressionen aus dem Plenum
VORSTELLUNG DER ZWÖLF STADT-LAND-PLUS-VERBUNDVORHABEN
„ReGerecht“ untersucht die Entstehung regionaler Landnutzungskonflikte und erarbeitet und implementiert integrative und systemorientierte Lösungen für einen gerechten Interessenausgleich zwischen Stadt, städtischem Umland und ländlichem Raum für landbasierte Nutzungsansprüche. Dafür werden kommunale Akteure im Stadt-Umland-Bereich Schwerins gemeinsam mit den wissenschaftlichen Partner*innen den Begriff „Regionale Gerechtigkeit“ operationalisieren und regionale Verflechtungsmodelle weiterentwickeln. Ebenso werden neue Formen von Governance im Kontext von Stadt-Land-Verflechtungen erarbeitet. Konkret leistet das Projekt einen Beitrag zum Stadt-Umland-Konzept für Schwerin.
Die Präsentation von apl. Prof. Dr. Thomas Weith, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg e.V. finden Sie hier.
„RAMONA“ verfolgt das Ziel, Flächenknappheit und -konkurrenzen sowie Konflikte zwischen landwirtschaftlicher Produktion, Naturschutz und Stadtentwicklung im Raum Stuttgart durch vorausschauende, kooperative Planungsmethoden zu steuern. Dabei werden Wirkung und Potenzial von Ausgleichsmaßnahmen vor dem Hintergrund des Kompensationsgeschehens im stadtregionalem Zusammenhang untersucht. In dem transdisziplinären Vorhaben werden Kriterien guter regionaler Kompensationspraxis entwickelt und in einem „Denkraum jenseits einzelner Amtsstuben“ relevante Akteure aus kommunaler und regionaler Verwaltung und Zivilgesellschaft zusammengebracht. „RAMONA“ leistet damit einen Beitrag zur Optimierung der Regionalentwicklung durch Kompensation.
Die Präsentation von Prof. Dr. Frank Lohrberg, RWTH Aachen finden Sie hier.
Das im Raum Rostock beheimatete Projekt „PROSPER-RO“ stärkt die regions- und akteursübergreifende Zusammenarbeit durch die Entwicklung konkreter, integrierter Lösungsoptionen für Konflikte in den Bereichen Landnutzung, Wasserwirtschaft und Kreislaufwirtschaft. Dafür wird ein gemeinsam nutzbares, systemübergreifendes, GIS-basiertes Expertenunterstützungssystem mit prozessorientierten, funktionalen Algorithmen zur interaktiven Bewertung von Entwicklungsszenarien und Planungsoptionen bereitgestellt. Darüber hinaus entwickeln die wissenschaftlichen Partner*innen einen einheitlichen monetären Bewertungsmaßstab aller Flächenfunktionen auf Basis des Ökosystemleistungsansatzes. Mit der Schaffung und Nutzung bestmöglicher Informationsgrundlagen leistet „PROSPER-RO“ einen Beitrag zur nachhaltigen Regionalentwicklung.
Die Präsentation von Prof. Dr. Jens Tränckner, Universität Rostock finden Sie hier.
Im Rhein-Erft-Kreis trägt „NACHWUCHS“ dazu bei, die Inanspruchnahme wertvoller landwirtschaftlicher Flächen in stark wachsenden Großstadtregionen zu minimieren. Das Vorhaben analysiert und bewertet die nachhaltige Raumentwicklung anhand von Indikatorensets und regionalen Dichtemodellen für Stadt-Umland-Entwicklungen. Mit Hilfe eines Multi-Agenten-Systems werden die Stadt-Umland-Verflechtungen dargestellt. Zudem sollen agrar-urbane Governancestrukturen erarbeitet werden. Das Ziel des Projektes ist die Entwicklung eines Planungsregimes für die Landwirtschaft und die Optimierung stadtregionaler (Siedlungs-) Entwicklung aus Perspektive der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft. Das Projekt leistet durch die Inwertsetzung der Landwirtschaft einen Beitrag zur integrierten stadtregionalen und agrarstrukturellen Entwicklung unter Wachstumsstress.
Die Präsentation von Prof. Dr. Theo Kötter, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn finden Sie hier.
„NEILA“ etabliert ein interkommunales, nicht nur fiskalisches, Lasten-Nutzen-Ausgleichssystem in Form eines virtuellen Ausgleichpools in der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler (:rak-Region). Die vor 25 Jahren gegründete :rak-Region kann auf eine etablierte länderübergreifende Kooperation zurückgreifen, weshalb die gemeinsame Abstimmung eines interkommunalen Siedlungsentwicklungskonzepts auf eine andere Stufe gestellt werden kann. Ziel ist die Entwicklung eines umfassenden, detaillierten regionalen Raumentwicklungs-Monitorings. „NEILA“ leistet sowohl einen Beitrag zum regionalen Flächenmanagement als auch zum Interessenausgleich zwischen einer stark wachsenden Kernstadt, dem städtischen Umland und dem ländlich geprägten Raum.
Die Präsentation von Dr. Andrea Dittrich-Wesbuer, Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH finden Sie hier.
„StadtLandNavi“ entwickelt und erprobt ein Managementtool für ein ressourcenschonendes Landmanagement über administrative Grenzen hinweg. Kern ist ein mit regionalen Akteuren entwickeltes Konzept zur Wohnflächenentwicklung und Kulturlandschaftsgestaltung. Dies soll den Mehrwert regionaler Kooperationen verdeutlichen und die Weiterentwicklung regionaler Kooperationsprozesse befördern. Eine Besonderheit von StadtLandNavi ist der Ansatz, dass ganz bewusst von einer „unsicheren“ Zukunft mit variablen Entwicklungsrichtungen ausgegangen wird. Das Stadt-Umland-Planungstool ermöglicht Akteuren in Stadtregionen so, unabhängig von Prognosen, ihre Aktivitäten frühzeitig an geänderte Rahmenbedingungen der Raumentwicklung und Landnutzung anzupassen. Aufgrund räumlicher und inhaltlicher Nähe ist eine enge Zusammenarbeit mit „Interko2“ vorgesehen.
Die Präsentation von Dr. Thomas Zimmermann, HafenCity Universität Hamburg finden Sie hier.
„Interko2“ setzt auf ein kooperatives integriertes Wohnbauflächen-entwicklungskonzept mit breitem Beteiligungsansatz in der Region um Leipzig und Halle (Saale) und in der Umsetzungsphase Jena. Dafür werden quantitative und qualitative Bedarfsansätze verknüpft und ein einfach nutzbares Instrumentarium für ein Demografie- und Flächenmonitoring in den Landkreisen entwickelt. Ziel ist die Etablierung dieses einheitlichen Monitoringansatzes und eine Weiterentwicklung des Kooperationsraumansatzes (als formelles Planungsinstrument) unter Berücksichtigung der Anforderungen an nachhaltige Daseinsvorsorge- und Mobilitätslösungen. Mit der Entwicklung eines kooperativen interkommunalen Wohnflächenkonzepts leistet „Interko2“ einen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Regionalentwicklung. Aufgrund räumlicher und inhaltlicher Nähe ist eine enge Zusammenarbeit mit „StadtLandNavi“ vorgesehen.
Die Präsentation von Dr. habil. Annedore Bergfeld, Institut für Länderkunde finden Sie hier.
„VoCo“ analysiert integrierte regionale (und überregionale) Bevölkerungsansprüche und Wertschöpfungspotentiale zu unterschiedlichen Themen (Regionale Versorgung und regionale Produkte, Umweltschutz und Artenvielfalt, Bildung und Erholung). Ziel ist es, Wertschöpfungsketten einer nachhaltigen Landnutzung unter Berücksichtigung der Stadt-Land-Beziehungen in der Region Vorpommern mit dem Zentrum Greifswald zu verbessern. Gemeinsam mit regionalen Akteuren werden dazu Optionen multifunktionaler Landnutzung entwickelt und Kriterien zur Auswahl von Modellprojekten zur Erzeugung und Vermarktung nachhaltiger landwirtschaftlicher Produkte sowie zur energetischen Verwertung von Landschaftspflege-Biomasse festgelegt.
Die Präsentation von Dr. Michael Rühs, Universität Greifswald finden Sie hier.
„WERTvoll“ baut eine kooperative und sich positiv verstärkende Landnutzungsstrategie für die Region zwischen Leipzig und dem Wurzener Land auf. Dabei werden verschiedene Themenbereiche (gesunde und regionale Nahrungsmittel, Grund- bzw. Trinkwasserqualität, Klimaschutz und Reduzierung der Flächenumwidmung durch produktionsintegrierte Kompensation) durch kooperative und konstruktive Praxisprojekte in einer Stadt-Land-Partnerschaft auf Augenhöhe verknüpft. Das besondere bei „WERTvoll“ liegt in der Marktorientierung und dem Aufbau von Mehrnutzungskonzepten, um die regionale Wertschöpfung zu steigern. Dafür richten Leipzig und das Wurzener Land jeweils eine Stabsstelle ein, die als zentrale Kommunikations- und Organisationseinheiten die konkreten Praxisprojekte vorantreiben und umsetzen.
Die Präsentation von Frank Wagener, Institut für angewandtes Stoffstrommanagement, Hochschule Trier finden Sie hier.
„CoAct“ bestimmt in der Bodenseeregion die Potenziale der Abwasserreinigung durch den Einsatz von Aktivkohle, die aus regionaler Rest-Biomasse hergestellt wird. Für die Herstellung der Aktivkohle wird ein innovatives CoAct-Verfahren auf der Basis eines Technikkonzeptes und von Pyrolyse weiterentwickelt. Diese „technische“ Seite des Projektes ist verknüpft mit einer Stärkung der Stadt-Land-Kooperation zur nachhaltigen Entwicklung der Stadt Friedrichshafen und des Bodenseekreises. Darüber hinaus wird mit der stofflichen Weiterverarbeitung der Landschaftspflegematerialien ein Beitrag zur regionalen Kreislaufwirtschaft geleistet und nicht nachhaltig produzierte Aktivkohle substituiert.
Die Präsentation von Korbinian Kaetzl, Universität Kassel finden Sie in Kürze hier.
„WieBauin“ legt den Fokus auf die Reduzierung der Inanspruchnahme natürlicher Ressourcen (Bodenschätze und Fläche) im ländlichen Raum durch Nutzung alternativer Quellen zur Gewinnung von Baustoffen. In zwei Gemeinden im Landkreis Darmstadt-Dieburg wird dafür ein Gebäude- und Materialkataster zur Identifizierung wiederverwendbarer Bauteile und verwertbarer Baumaterialien erstellt. Dieses dient als Basis zur Entwicklung eines Geschäftsmodells zur Vermarktung und Umsetzung durch den Landkreis Darmstadt-Dieburg und die Stadt Darmstadt unter Einbindung von Schlüsselakteuren (u.a. Architekten und Handwerk). Ziel von „WieBauin“ ist die Entwicklung neuer Herangehensweisen und Instrumente, um das Stoffstromsystem der Baumaterialien zwischen Stadt und Land zum beiderseitigen ökologischen und ökonomischen Vorteil zu gestalten.
Die Präsentation von Prof. Dr. Hans Joachim Linke, Technische Universität Darmstadt finden Sie hier.
„ReProLa“ setzt auf ein nachhaltiges Management der Ressource Land zur Sicherung der regionalen Agrarproduktion und Umweltleistungen in der Metropolregion Nürnberg. Das interdisziplinäre Projektteam erstellt dafür ein Indikatorenmodell und ein Flächenmonitoring zur Darstellung der Wirkungen von Regionalprodukten hinsichtlich regionaler Wertschöpfung, Umwelt und Gesellschaft im räumlichen Kontext. Damit wird ein Beitrag für innovative Logistik- und Vermarktungslösungen zur Steigerung der regionalen Wertschöpfung im Bereich Regionalprodukte geleistet. Diese werden an Pilotprojekten in ausgewählten Modellkommunen getestet.
Die Präsentation von Dr. Patricia Schläger-Zirlik, Europäische Metropolregion Nürnberg finden Sie hier.
SPEED-DATING
Im Rahmen eines Speed-Datings bot sich für die 140 Teilnehmer*innen die Möglichkeit, andere Projekte und deren Akteure kennen zu lernen und ihnen das eigene Vorhaben vorzustellen. Ein Fazit dabei war, dass es sich lohnt, die Projektdarstellung im „Elevator-Pitch“-Format in wenigen Minuten zu „üben“ und zugleich, dass man in kürzester Zeit viel über die Vielfalt in der Fördermaßnahme erfahren kann.
Impressionen des Speed-Datings
Projekt-Cluster
Einführend erläuterte Dr. Stephan Bartke, Projektleiter des Querschnitsvorhabens, das Ziel der Session. Drei parallele Arbeitsforen sollten dem gemeinsamen thematischen Austausch der Teilnehmer*innen dienen, um die Bedeutung und Funktion der Projektcluster zu klären und Zusammenhänge zwischen den Projekten zu analysieren. In allen Arbeitsforen sollte anhand von kurzen Inputs ausgewählter Vorhaben dargestellt werden, welche Unterthemen im Projektcluster relevant sind, welche Akteure daran beteiligt sind, welche Aufgabenstellungen und Herausforderungen bestehen und welche Fragen im Zentrum stehen.
So wird die Arbeit des wissenschaftlichen Querschnittsvorhabens, das von Umweltbundesamt, Institut Raum und Energie sowie StadtLand bearbeitet wird, untersetzt. Dieses vernetzt die Projekte, unterstützt den Transfer der Ergebnisse und trägt dazu bei, Nachhaltigkeit in den Regionen zu konkretisieren. Übergreifende Themen werden gezielt vertieft. Das wissenschaftliche Querschnittsvorhaben initiiert den Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren aus Wissenschaft, Kommunen und Wirtschaft. Die Stadt-Land-Plus-Forschungsergebnisse werden so gebündelt, dass sie die Umsetzung der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und das Erreichen der globalen Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 unterstützen. Für die Fachöffentlichkeit, Politik und Praxis stellt das Querschnittsvorhaben den Transfer der Erkenntnisse mit geeigneten Formaten sicher.
Die Präsentation von Dr. Stephan Bartke, Umweltbundesamt finden Sie hier.
Moderation: Katrin Fahrenkrug, Institut Raum & Energie
Einführung
Einleitend führt Dr. Michael Melzer, Institut Raum & Energie in das Thema ein:
- „Interessen zwischen Stadt und Land ausgleichen“ ist mehr als ein (monetärer) Ausgleich von Disparitäten. Im Idealfall sollten Interessen so ausgeglichen werden, dass keine gravierenden Disparitäten verbleiben und gleichwertige Lebensverhältnisse hergestellt sind.
- Es sollte unstrittig sein, dass teilweise erhebliche regionale Disparitäten und insbesondere solche zwischen Stadt und Land existieren. Typische Beispiele sind die Unterschiede bei Wertschöpfung und Einkommensstruktur oder beim Zugang bzw. der Erreichbarkeit von Daseinsvorsorgeinfrastrukturen (Verkehr, Bildung, Kultur, Gesundheit etc.). Es wäre aber verkürzt, hier Interessengegensätze bzw. Konflikte zwischen Stadt und Land als Ursache anzunehmen.
- Anders verhält es sich im Bereich Siedlungsentwicklung, der seit jeher (mit immer wieder unterschiedlichen Vorzeichen, von der Stadtflucht bis zur Landflucht) im Zentrum der Stadt-Land-Diskussion und raumordnerischer Diskussionen zur Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse steht.
- Es sollte deshalb auch versucht werden, die Unterthemen herauszuarbeiten, bei denen Interessengegensätze Disparitäten begründen, um zu erkennen, wo ein Ausgleich von Interessen angedacht werden muss.
Impulse
Anschließend beleuchten Prof. Dr. Frank Lohrberg, RWTH Aachen, Verbundvorhaben RAMONA und Prof. Dr. Theo Kötter, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Verbundvorhaben NACHWUCHS, aus der Sicht ihrer Verbundvorhaben und ihrer persönlichen Erfahrung, welche Unterthemen maßgeblich sind, welche Herausforderungen behandelt und welche Fragen beantwortet werden müssen, um Interessen zwischen Stadt und Land auszugleichen:
Prof. Dr. Frank Lohrberg lenkt den Blick auf ein differenziertes Verständnis hinsichtlich Disparitäten. So geht es im Projekt RAMONA nicht um Disparitäten zwischen Stadt und Land sondern um Disparitäten zwischen Stadt und einem „fetten Speckgürtel“. Mit einem die Stadt, umgebenden wohlhabenden Umland agieren beide Seiten auf Augenhöhe. Prozesse im Spannungsfeld zwischen Stadt und Speckgürtel sind in diesem Fall häufig auch nicht „ungerecht“, sondern eher „verschenkte Mehrwerte“ bzw. „fehlende Effizienz“, z.B. in Bezug auf Infrastrukturen. Es kann durchaus vorkommen, dass die große Kernstadt durch eine große Verwaltungsstruktur gelähmt wird und im Vergleich mit „smarten Umlandstädten“ wenig innovativ ist.
Prof. Dr. Theo Kötter verweist darauf, dass Interessenkonflikte häufig weniger Konflikte zwischen Stadt und Land sind, sondern vielmehr zwischen Markt und Gemeinwohl. So bergen räumliche Disparitäten nicht unbedingt einen Konflikt, solange Menschen nicht abwandern müssen, weil es z. B. keine ausreichenden Arbeitsplätze gibt. Es geht also nicht um gleiche, sondern um gleichwertige Lebensbedingungen. Beispiele:
- Ein Konflikt besteht in der Definition von Wohnqualitäten. So stößt eine höhere Dichte auf Akzeptanzprobleme, obwohl sie gemeinwohlorientiert wünschenswert ist.
- Dezentrale Konzentration ist aus planerischer Sicht sinnvoll, schließt aber bestimmte Standorte von einer Entwicklung aus. Wenn niemand mehr in diese Orte zieht, sei das letztlich auch mit Geld nicht ausgleichbar.
- Städte erwarten, dass Nahrungsmittelketten reibungslos funktionieren, aber gleichzeitig ökologisch nachhaltig sein sollen. Letzteres hingegen stellt kein Marktgut dar.
Diskussion
In der nachfolgenden Diskussion in drei Kleingruppen werden zunächst sehr grundsätzliche Fragen für ein gemeinsames Verständnis des Themas aufgeworfen:
- Zwischen welchen Teilräumen sind Interessensgegensätze relevant? Das Begriffspaar Stadt-Land trifft dies nicht wirklich. Unterschiedliche Interessen spielen eher zwischen Stadt und Stadtumland sowie zwischen Stadtregion und peripherem ländlichem Raum eine Rolle.
- Wann müssen oder sollen Interessengegensätze bzw. Disparitäten wirklich ausgeglichen oder aber sogar im Interesse der Vielfalt und der im übergeordneten „Gemeinwohl“-Interesse liegenden Erfüllung unterschiedlicher Funktionen erhalten werden? Sind die siedlungspolitischen Prinzipien der zentralen Orte und der punktaxialen Entwicklung nicht durchaus im übergeordneten Interesse einer nachhaltigen Stadt-Land-Entwicklung, auch wenn sie Disparitäten verfestigen?
- Entstehen Konflikte wirklich aus gegensätzlichen Interessen oder daher, dass alle Teilräume immer mehr identische Ansprüche entwickeln?
- Wie kann man den Maßstab „Gerechtigkeit“ operationalisieren? Gibt es dafür objektive Kriterien oder geht es um einen sensiblen Aushandlungsprozess?
Aus dieser Grundsatzdiskussion werden zunächst folgende grundsätzliche Herausforderungen und Empfehlungen abgeleitet:
- Es müssen Zukunftsbilder bzw. Raumbilder (Leitbilder) entworfen werden, die die Wertschätzung des ländlichen Raumes und seiner Funktionen betonen sowie die Chancen neuer Lebenswelten (z. B. innovative Angebote und Arbeitsteilung mit Möglichkeiten der Digitalisierung) aufgreifen und so den Erhalt der Vielfalt mit einem Abbau von Disparitäten verbinden.
- Dringend erforderlich ist eine problembezogene Governance auf Augenhöhe, die verträgliche Aushandlungsprozesse befördert und zu einer Bewusstseinsbildung für die Schicksalsgemeinschaft Stadt-Land beiträgt. Dafür benötigen die Stadtregionen einen wissenschaftlich erarbeiteten und in der Praxis erprobten Werkzeugkasten.
Unterthemen, in deren Kontext diese Herausforderungen behandelt werden müssen, sind u. a.
- die rechtlichen und fiskalischen Rahmenbedingen bis zum Raumordnungsrecht,
- das gesamte Spektrum der Flächenpolitik, für Energie, für Wohnen und für Gewerbe sowie
- das Verhältnis von Landwirtschaft und Naturschutz.
Bezüglich einer Standardisierung wird kritisch auf die stets erforderliche Notwendigkeit einer regionalen Differenzierung von Lösungsprozessen hingewiesen. Demzufolge wurde vorgeschlagen, dass Lernprozesse bedeutsamer als Standards sein können.
Moderation: Dr.-Ing. Uwe Ferber, StadtLand GmbH
Einführung
Dr. Uwe Ferber weist in seiner Einführung auf die bundesweite Diskussion um fehlenden Wohnraum in Wachstumsregionen hin. Die von der Bundesregierung eingesetzte Baulandkommission, Bürgerbegehren zum „Flächenfraß“ in Bayern und der „Aktionsplan Fläche“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) zeigen den nicht wiederspruchfreien Handlungsdruck in den betroffenen Stadtregionen auf. Die Arbeitsgruppe diskutiert vor diesem Hintergrund die aktuellen Rahmenbedingungen und Herausforderungen für das Themenfeld und benennt den Forschungsbedarf sowie Unterthemen zum Austausch innerhalb der Stadt-Plus-Plus Verbünde.
Impulse
Björn Braunschweig, Friedrich-Schiller-Universität Jena, und Partner im Vorhaben Interko2 untersetzt die aktuelle Situation am Beispiel der Stadtregion Halle/Leipzig. Diese ist insbesondere im Stadtgebiet Leipzig von starken Auf- und Abwärtsbewegungen der Bevölkerungsentwicklung gekennzeichnet. Leipzig hatte nach starken Bevölkerungsverlusten bis zum Jahr 2000 einen Leerstand von ca. 22% der Wohnungen, welcher zwischenzeitlich auf nur noch 3% (2015) zurückgegangen ist. Dies löste eine Wanderungsbewegung in das nähere Umland und erhöhte Bautätigkeit im Ein- und Zweifamilienhaus-Segment im Außenbereich aus. Unzureichendes Monitoring, Konkurrenzdenken und fehlende Kooperation lassen diese Entwicklung weitgehend ungesteuert verlaufen und verschärfen die funktionalen und ökologischen Defizite. Dem will Interko2 gemeinsam mit dem kooperierenden Vorhaben StadtLandNavi durch ein Kooperationsmodell entgegenwirken. Seine Präsentation finden Sie hier.
Dr. Andreas Pätz, Wirtschaftsförderungs- und Wohnungsbaugesellschaft Königswinter (WWG) und Partner im Vorhaben NEILA bringt die Perspektive eines Projektentwicklers für Wohnungsbauflächen in die Diskussion ein. Als öffentliche Gesellschaft steht für die WWG die Aufgabe der Schaffung von preiswertem Wohnraum im Vordergrund. Die aktuelle Situation im Bonner Raum ist jedoch geprägt durch Flächenknappheit im Innen- wie im Außenbereich. Zudem besteht eine starke Nachfrage nach höherwertigem Wohnraum und großen Gewerbeflächen. Insbesondere Umlandkommunen sind weder personell noch finanziell in der Lage steuernd einzugreifen. Angesichts schwacher Planungs- und Rechtsinstrumente ist völlig offen, wie verkaufsunwillige Baulandeigentümer zum Verkauf bewegt werden könnten. Darüber hinaus ist ein „exorbitanter“ Anstieg der Baupreise zu verzeichnen. Dr. Andreas Pätz schlägt angesichts der Komplexität des Themenfeldes vor, die Baulandmobilisierung in Stadt-Land-Kooperationen durch „Flächenagenturen“ anzugehen.
Diskussion
Anschließend diskutieren die Teilnehmer*innen, wie Stadt-Land-Plus zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen, durch Vernetzung Synergien erzeugen und gemeinsam Aktivitäten auf den Weg bringen könnte. Als erster Schritt wird vorgeschlagen, das schon vorhandene Wissen (Refina, Landnutzung, EU Vorhaben) für Stadt-Land-Plus zu nutzen und in die bevorstehenden Prozesse einzubringen. Als konkrete Beispiele werden Prognosemodelle für Wohnflächenbedarfe und Konzepte zur Siedlungsflächenentwicklung benannt. Dies könnte durch den Aufbau einer Datenbank gelingen.
Ebenso sollte Stadt-Land-Plus zur Überwindung von gängigen Mustern von „Stadt“ und „Land“ durch neue Terminologien, innovative Siedlungsflächenmodelle und Steuerungsansätze beitragen. Zukunftsworkshops könnten ein passendes Format sein, wobei gilt Denkbarrieren zu überwinden. Neue Wohnformen, Digitalisierung und Mobilitätskonzepte heben Grenzen auf, die „Stadt der kurzen Wege“ könnte zur „Region der kurzen Wege“ entwickelt werden und Nutzungsmischung auch im Umland entstehen.
Vorhaben-übergreifende Teilthemen sind:
- Entwicklung von Indikatoren zur qualitativen Flächenbewertung, -priorisierung und Monitoring.
- Lenkung öffentlicher und privater Finanzströme im Austausch der Stadt-Land-Plus Projekte.
- Instrumente interkommunaler Zusammenarbeit.
- Baulandmobilisierung z.B. durch städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen.
- Einbezug der Bevölkerung durch Moderation und Beteiligungsmodelle.
- Eigentümeransprache.
In mehreren Stadt-Land-Plus Vorhaben werden technische Module zur Datenerhebung, -analyse und -visualisierung erarbeitet. Hierfür wird ein Austausch zu den eingesetzten GIS (inkl. Open Source), den Methoden des Monitorings (zeitnahe Erfassung von Wanderungsbewegungen), der Prognose (für Wohnflächenbedarfe) sowie den Darstellungsformen angeregt. Es wird auch ein Ansatz und konkreter Bedarf zur Standardisierung gesehen.
Moderation: Dr. Stephan Bartke, Umweltbundesamt
Impulse
Dr. Patricia Schläger-Zirlik, Metropolregion Nürnberg, und Dr. Markus Meyer, Forschungsgruppe ART, stellen in ihrer Präsentation die Zugänge im Projekt ReProLa vor, ein nachhaltiges Flächenmanagement zu ermöglichen, u.a. in Bezug auf Lebensmittelerzeugung, ressourcenschonende Produktionsverfahren und Regionalprodukte, sowie dessen Erprobung in der Großregion (23 Landkreise, 11 kreisfreie Städte) aufbauend auf eine eingespielte Governance jedoch ohne Planungsbefugnisse. Um zu prüfen, ob Regionalprodukte einen positiven Beitrag zur regionalen Wertschöpfung leisten, soll zunächst im Projekt geklärt werden, was Regionalprodukte (Fokus Lebensmittel) sind und wie Verarbeitungs- und Verwertungszyklen erfasst werden können.
Um zu prüfen, ob Regionalprodukte die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Produktion verbessern, werden unterschiedliche Landschaftseinheiten, verschiedene Produktionssysteme (intensiv, extensiv, ökologisch) und deren Ökosystemleistungsbeiträge einbezogen. Im Ergebnis soll ein Indikatorenmodell zur Bewertung der raumbezogenen Wirkungen erarbeitet werden. Dies bedarf der Entwicklung „passender“ Regionseinheiten und Verfahren (z.B. naturräumlichen und sozioökonomischen Variablen zur Abgrenzung von Regionen). Geprüft werden auch die Flächenverbrauchswirkungen durch Verbesserungen in Vermarktung und Logistik (Stadt-Land-Partnerschaft). Im Projekt sind die Entwicklung und Erprobung eines Flächenmonitoringtools angestrebt.
Schließlich werden Governance-Lösungen und -Instrumente für ein nachhaltiges Flächenmanagement mit Blick auf Ausgleichsflächenmanagement, gemeinsame Leitbildentwicklung, Bewertung für (Ausgleichs-)Flächen(-nutzungen) sowie Spielregeln und Steuerungsprozeduren erarbeitet. Dafür sind die relevanten Player zu identifizieren und aufzuzeigen, wie Kommunen in diesem Feld aktiv handeln und ein nachhaltiges Management der Ressource Land zur Sicherung der (regionalen) Agrarproduktion und von Ökosystemdienstleistungen gewährleisten können.
Korbinian Kaetzl, Universität Kassel, zeigt in seinem Impuls zunächst den Rahmen einer Befassung mit dem Thema Kreislaufwirtschaft im Projekt CoAct auf. Aus rechtlicher Sicht seien deren Grundlagen in der EU-Abfallrahmenrichtlinie (Richtline 2008/98/EG, AbfRRL) sowie im deutschen Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) geregelt mit einer fünfstufigen Abfallhierarchie von Vermeidung über Recycling bis Beseitigung. Er verweist darauf, dass es regional und kulturell stark unterschiedliche Ausprägungen gibt.
Mit Blick auf eine Kreislaufwirtschaft werden die Kerngedanken der Ressourcenschonung, effizienten Nutzung, des Recyclings von Ressourcen, niedrigen Energieverbrauchs und geringer Emission herausgestellt und mit Bezug auf regionale Effekte insbesondere der Umwelt- und Ressourcenschutz und die Steigerung der Wertschöpfung betont. Im Projekt CoAct wird ein Verfahren erprobt, das unterschiedliche Biomassen verarbeitet und im regionalem Kreislauf Produkte an die Landwirtschaft oder als Aktivkohle erzeugt, die z. B. in der Abwasserbehandlung eingesetzt werden können.
Diskussion
Zwei Arbeitsgruppen diskutieren anschließend die relevanten Unterthemen und aktuellen Fragen und erörtern sinnvolle Formate und Produkte der Zusammenarbeit.
Wesentliche Themenfelder im Cluster Kreislaufwirtschaft und regionale Wertschöpfung
- Definitionen und Typologien: Die Diskussionen machen deutlich, dass die verschiedenen Verbundvorhaben sehr unterschiedliche Grundverständnisse einbringen und das Clustertopic entsprechend des eigenen Projektansatzes und -zieles unterschiedlich verstehen. Auch innerhalb der meisten Vorhaben liegt noch keine abgestimmte Definition zur „Kreislaufwirtschaft“ und „regionalen Wertschöpfung“ vor. Daher wird ein Austausch mit dem Ziel einer Typologisierung in Stadt-Land-Plus vorherrschender Ansätze vorgeschlagen, um Kernelemente für eine Stadt-Land-Plus-übergreifende Definition von Elementen zu ermöglichen. Zu den wesentlichen Diskriminierungsaspekten wurde die räumliche Ausprägung gezählt („Was heißt regional“) unter den Aspekten der Größe und Struktur der betrachteten Region, sowie ihrer konstituierenden Eigenschaften (z. B. zwischen den Extrema ökologischer Verbundraum und Verwaltungsraum).
- Regionalprodukte: Es gab ein vielseitiges Interesse an einem Austausch zu Chancen und Grenzen von Regionalprodukten.
1) Wirkungsforschung: um zu eruieren, was Regionalprodukte leisten können, etwa mit Blick auf nachhaltigere Ressourcennutzung oder Wirtschaftsstärkung, werden adäquate Impact-Analysen und Indikatoren benötigt.
2) Insbesondere die Logistik und Organisation der Wertschöpfungsketten bieten Ansätze, die Effizienz regionaler Wertschöpfungskreise zu erhöhen.
3) Mit Blick auf die Entwicklung neuer Regionalprodukte wird ein Austausch zu Erfahrungen und Ansätzen zur Herausbildung von Absatzmärkten, Bedarfsanalysen und der Ableitung von Geschäftsmodellen für Regionalprodukte gewünscht. - Nachhaltigkeits-/Bewertung: Bewertungsaspekte spielen vielfältig eine Rolle in den Verbundvorhaben. Einerseits besteht Austauschinteresse zur Methodik der Bewertung, etwa zu Aspekten der Auf- bzw. Ab-Skalierung, der Bildung adäquater Indikatoren (insb. für Stadt-Land-Beziehungen) und der Modellierung sowie der Berechnung von Wertschöpfungsstufen. Andererseits sind auch die Inhalte der Bewertung von Interesse: Was wird bewertet? Wofür wird bewertet (etwa zu den ökologischen, ökonomischen und/oder sozialen Aspekten nachhaltiger Entwicklung sowie bezüglich der Fokussierung auf bestimmte Produkte wie Flächen oder Biomassen)?
- Governance: Verschiedene Vorhaben arbeiten zu Fragen der effektiven Steuerung und sind am Austausch zu Themen der Wirkung von Steuerungsinstrumenten, insbesondere Potenzialen rechtlicher Rahmenbedingungen, Standards und Normen, interessiert.
- Stakeholder und Akteurseinbindung: Für viele Vorhaben ist nicht zuletzt aufgrund der transdisziplinären Ansätze die effektive und effiziente Einbindung relevanter Stakeholder ein wichtiges Thema. Die Herausforderungen umfassen einen Austausch zu Methoden, um regionale Akteure einzubinden (etwa Kundengewinnung für neue Regionalprodukte, Einbindung von Bereitstellern, Förderung von Mitwirkungsbereitschaft) über die Bewusstseinsbildung für regionale Produkte und Wertschöpfung bis zu Fragen des Interessenausgleichs der Partner im Wertschöpfungskreis.
- Übertragbarkeit und Verstetigung: Über das Regionalprodukt hinaus werden Impact-Forschung und Transfer-Unterstützung für die in Stadt-Land-Plus entwickelten Methoden angesprochen. Es stellt sich die Fragen, wie deren Übertragbarkeit befördert und etwa GIS-Plattformen technisch und methodisch über die Projektförderung hinaus verstetigt werden können.
Im Austausch zu gewünschten und für die Verbundvorhaben nützlichen Formaten der Synthesearbeit im Cluster wird angeregt, eine Austauschplattform zu schaffen. Diese sollte Best Practice Ansätze, Methoden und Modelle sowie Dateninformationen (Verfügbarkeit, Nutzbarkeit) zum Austausch bereithalten. Als weitere geeignete Formate werden grundsätzlich Treffen und Workshops, Schulungsworkshops (etwa für Datensysteme), die Website des Querschnittsvorhabens mit einer spezifischen Rubrik, Netzwerke sowie ein thematisch organisierter E-Mail-Verteiler angeregt.
Abschließend werden aus Sicht der Teilnehmer*innen prioritäre Themen für die weitere Cluster-Kooperation herausgearbeitet. Hierbei wird das Themenfeld „Regionalprodukte“ priorisiert. Weitere Schwerpunkte liegen bei Nachhaltigkeits-/Bewertung und Verstetigung und Übertragbarkeit.
Synthese-Werkstätten
Katrin Fahrenkrug, Institut Raum & Energie, begrüßt die Teilnehmenden am zweiten Tag, an dem die Vernetzung der Teilnehmer*innen in Arbeitsforen zu Querschnittsthemen vertieft wird.
Diese Querschnittsthemen nehmen projektübergreifende Fragestellungen in den Blick, die für eine Mehrzahl der Forschungsvorhaben von Relevanz sind. Diskutiert werden in zwei Runden (mit wechselnden Teilnehmer*innen) folgende Themen:
- Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse fördern – Attraktive Regionen gestalten
- Regionale Nachhaltigkeitsziele verfolgen
- Organisationsform für stadtregionale Entwicklungsprozesse ausbilden
- Digitalisierung – Gemeinsame Chancen für Stadt und Land ergreifen
- Interne Kommunikation und Transfer verbessern – Verstetigung erzielen
Moderation: Katrin Fahrenkrug, Institut Raum & Energie
Impulse
apl. Prof. Dr. Thomas Weith, Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung Müncheberg e.V., vom Projekt ReGerecht führt zum Diskussionsbeginn vier Thesen ein:
- Gleichwertigkeit wird oft als Ausgleichspolitik genutzt, um Verteilungsmechanismen zu Gunsten ländlicher Räume zu fördern.
- Abhängig von Blickwinkel und Akteuren wird Gleichwertigkeit unterschiedlich definiert und differenziert.
- Gleichwertigkeit sollte sich nicht nur auf räumlich-soziale Gerechtigkeit konzentrieren (bei dem Thema Gerechtigkeit liegt der Fokus meist auf Output und Verfahren und der Ressourcenaufwand wird aus dem Blick gelassen.)
- Der Fokus wird meist nur auf infrastrukturelle Ausstattungsmerkmale und damit verbundene Qualitäten gelegt. Beispielsweise wird der Zugriff auf Grund und Boden nicht thematisiert.
Dr. Patricia Schläger-Zirlik, Europäische Metropolregion Nürnberg, vom Projekt ReProLa erläutert mit ihrer Präsentation die polyzentrale Struktur der Metropolregion und die damit verbundenen engen Kooperationsansätze und Verantwortungsgemeinschaften, um eine gleichwertige Entwicklung der Metropolregion voranzutreiben. Dafür werden bei ReProLa die Wertschöpfungsketten samt regionalen Produkten gefördert, mit dem Ziel Kommunikation und Identität zu stärken und somit auch die Region.
Diskussion
In der Diskussion wird auf die politische Bedeutung des Themas hingewiesen sowie relevante Aspekte und zentrale Herausforderungen erörtert:
- Operationalisierung und Bewertung sind zentrale Aspekte des Querschnittsthemas, mit denen sich die Verbundvorhaben zu Beginn der Förderlaufzeit auseinandersetzen.
- Eine Definition allein durch den gesetzlichen Rahmen erscheint nicht ausreichend, da Gleichwertigkeit themen- und regionsabhängig ist.
- Um Gleichwertigkeit und produktive kreative Vielfalt, die es zu erhalten gilt, zu vereinen sind vielfältige und vielseitige Instrumente nötig.
- Gleichwertigkeit wird subjektiv wahrgenommen, weshalb eine Bewusstseinsbildung notwendig ist.
- Im Kontext der Fördermaßnahme wird explizit Gleichwertigkeit und keine Gleichheit zwischen Stadt und Land angestrebt. Dabei soll der Fokus weder auf die Stadt noch auf das Land allein gelegt, sondern vielmehr Stadt, Umland und Land gemeinsam betrachtet werden.
- Es werden unterschiedliche Formen der Gerechtigkeit angesprochen: Energie-, Verfahrens-, Monetäre Gerechtigkeit (z. B. Ökokonten).
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, müssen konzeptionelle Grundlagen geschaffen sowie das Regelwerk und die finanzielle Mündigkeit der Kommunen geprüft werden. Ebenso ist ein organisierter Interessensausgleich für die Gleichwertigkeit unverzichtbar. Dafür muss Verbindlichkeit, auch durch Institutionalisierung auf allen Ebenen (Bundes-, Landes-, Regionsebene) geschaffen werden. Grundlage dafür ist die Förderung des Austausches und der Kommunikation.
Im Hinblick auf die weitere Bearbeitung im Rahmen der Fördermaßnahme wird festgestellt, dass eine Vertiefung des Querschnittsthemas erst mit ersten Zwischenergebnissen der Verbundvorhaben im Jahr 2020 sinnvoll erscheint.
Moderation: Dr. Stephan Bartke, Umweltbundesamt
Einführung
Zur Einführung erläutert Dr. Stephan Bartke den Kontext des Querschnittsthemas: Die globalen Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen sind ein international anerkanntes Leitbild für die Nachhaltigkeit, in das sich auch die Transformation der Städte, ländlichen Räume und ihre Wechselbeziehungen einfügen. Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie 2016 greift die Kernindikatoren der SDGs auf. Jedoch besteht ein hoher Bedarf für methodischen Erfahrungsaustausch sowie zu den Möglichkeiten und Grenzen der Operationalisierung nachhaltiger Entwicklung in spezifischen Stadt-Land-Regionen, z. B. zur Verwendung geeigneter Indikatoren. Es wird erwartet, dass die Verbundvorhaben für spezifische Fragestellungen Impulse und Erkenntnisse einbringen, die mit dem Querschnittsvorhaben zu generellen Bausteinen zusammengefasst und in die relevanten politischen Gremien eingespeist sowie mit interessierten Stakeholdern ausgetauscht werden können.
Impulse
Dr. Dominik Weiß, Universität Bonn, erläutert den Ansatz des Projektes NACHWUCHS zur Bewertung der stadt-regionalen Entwicklung durch Indikatoren. Ziel ist die Politikberatung indem im Vergleich zum Status Quo eine Bewertung von „Weiter so“ und „Zukunfts-“ Szenarien ermöglicht wird, die Steuerungsbedarfe aufzeigt. Die Erstellung des Indikatorensets orientiert sich an bestehenden Nachhaltigkeitskonzepten und Indikatoren (z. B. IÖR-Monitor, LIKI, Nachhaltigkeitsstrategie Nordrhein-Westfalen) und berücksichtigt kommunale Monitoring- und Datenbestände. Zugleich muss das Indikatorenset Anforderungen an die Passfähigkeit mit den zu erwartenden Raum- und Siedlungsbildern erfüllen sowie einen Praxisbezug herstellen. Angestrebt ist die Definition einer handhabbaren Anzahl von Kriterien (betrachtete Dimensionen Natur und Landschaft, Landwirtschaft, Wohnen und Lebensqualität, Wirtschaft und Arbeiten) für relevante Flächennutzungen. Über eine Befragung werden die Kommunen in NACHWUCHS in die Entwicklung eingebunden (Sicherung der Relevanz der Kriterien, Berücksichtigung in Planungsprozessen, Anwendung in der Region). Die Präsenation finden Sie hier.
Dr.-Ing. Ulrich Gehrlein, ifls, erläutert in seiner Präsentation mit Verweis auf die SDGs in welchen Nachhaltigkeitsdimensionen die Erzeugung von Brennstoffen und Aktivkohle aus Rest-Biomassen im CoAct-Verfahren Leistungen und Wirkungen verspricht (z. B. Bereitstellung „THG-neutraler“ Brennstoffe, Klimaschutz, sauberes Wasser, Vernetzung und Kooperation von Akteuren über Branchen- und Stadtgrenzen hinweg, Generierung von Wissen und dessen Verbreitung, Inwertsetzung „ungenutzter“ Biomassen, Produkt- und Prozessinnovationen, Steigerung regionaler Wertschöpfung). Insgesamt lässt sich aufzeigen, welche unmittelbaren Leistungen des CoAct-Projektes und welche Leistungen und Wirkungen des CoAct-Ansatzes zu erwarten sind.
Daniel Reißmann, Umweltbundesamt, erläutert mögliche Ansatzpunkte des Querschnittsvorhabens, um die Zwischen-/Ergebnisse der Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus aufzugreifen, in die inter-/nationalen Diskurse einzuspeisen und so regionale Nachhaltigkeitsziele auf unterschiedlichen Ebenen zu stärken. So erläutert er, dass in Deutschland für die Nachhaltigkeitspolitik der Bundesregierung der "Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung" ein wichtiges Gremium ist. Zu seinen Aufgaben gehört, die nationale Nachhaltigkeitsstrategie umzusetzen, inhaltlich weiterzuentwickeln und den Stand der Umsetzung regelmäßig zu überprüfen. Weitere wichtige Akteure sind der Parlamentarischer Beirat sowie der Rat für Nachhaltige Entwicklung. Alle Ressorts der Bunderegierung sind angehalten, die Nachhaltigkeitsziele im Bereich ihrer Verantwortung umzusetzen. Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie wird daher durch verschiedenste nationale Programme unterlegt (z. B. Klimaschutzplan 2050, Zukunftsstrategie ökologischer Landbau, Nationale Politikstrategie Bioökonomie, Deutsches Ressourceneffizienzprogramm II). Der Umsetzungsstand unterliegt einer Berichterstattung auf internationaler und nationaler Ebene – es gibt bislang allerdings keine Berichterstattung für die regionale und lokale Ebene, da es auch noch an operationalisierten Zielen und Indikatoren mangelt. Hier wird daher mit großem Interesse auf die Stadt-Land-Plus-Arbeiten geschaut. Insgesamt gibt es verschiedenste Ansatzpunkte, um regionale Nachhaltigkeitsziele in den gesellschaftlichen Diskurs aktiv einzubringen.
Diskussion
Im Schwerpunkt der Synthesewerkstatt stehen drei Kleingruppendiskussionen mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten:
Operationalisierung von Zielen nachhaltiger Entwicklung und vorhandene Methoden-/Fachkenntnisse:
Die Projekte identifizierten drei inhaltliche Ausgangspunkte zur Befassung mit Nachhaltigkeitsindikatoren: 1) Zum einen ist die Befassung mit Akteursgruppen mit ihren konkreten Zielen und Indikatorensets (z.B. Landwirte) von Bedeutung, insbesondere vor der Herausforderung, diese verschiedenen Sets zu vernetzen. 2) Der konkrete Problemdruck (bspw. Nitratbelastung von Böden) in der Praxis bzw. die Frage, ob eine „Ausstrahlung“ thematisch begrenzter Indikatorensets auf andere Bereiche besteht, ist ein weiterer Ansatzpunkt. 3) Schließlich ist der Frage nachzugehen, in welchem Verhältnis diese konkreten Handlungsfenster zur Vielschichtigkeit regionaler Entwicklung stehen.
In der Wahrnehmung der diskutierenden Teilnehmer*innen gehen die „Planer*innen“ vom Ziel aus und suchen dann Indikatoren, die eher „regionale Wirtschaftskreisläufe“ oder Strukturzusammenhänge untersuchen während („Nicht-Planer*innen“) eher am Impact ansetzen, also die Stellschrauben in den Blick nehmen.
Eine zentrale Herausforderung ist der Umgang mit Zielkonflikten (bspw. Verdichtung versus Aus-/ Überlastung der Infrastruktur, Verzahnung von Stadtplanung und Fachplanung) sowie grundlegend das Verhältnis von Zielen und Indikatoren zur Operationalisierung von Nachhaltigkeitszielen. Was etwa ist zuerst da? Einige Regionen haben Ziele und suchen jetzt die Indikatoren, um den Zielerfolg zu messen; andere Herangehensweisen gehen von (wertfreien) Indikatorensets aus und wollen im zweiten Schritt den „Benchmark“ definieren. Dabei ist zu diskutieren, wie „wertfrei“ Indikatoren überhaupt sein können und wo bei Herausforderungen der „Scheinobjektivität“ von Indikatoren (Auswahl beinhaltet bereits Wertung) die Grenzen der Operationalisierung liegen.
Nicht verwunderlich, dass die Diskussion sodann um die Akzeptanz für bestimmte Indikatoren und Anreize zur Verbesserung ging. Konkurrenz und positiver Wettbewerb (bspw. European Energy Award) wurde als ein Best Practice Beispiel benannt. Unterschiedlich waren die Einschätzungen zur Qualität von Zielen (diffus / konkret), die mithin den Weg zur Konkretisierung nicht einfacher machen. So ist die Bedeutung der SDGs in konkreten Planungsprozessen oftmals schwach. Eine Definition des inhaltlichen und räumlichen Bezugsrahmens ist entscheidend (Was schaue ich mir an und welche Ergebnisse sind daher zu erwarten)?
Ihr Selbstverständnis sieht die beteiligte Wissenschaft darin, die Kommunen und Regionen zu unterstützen, um wissensbasierte Entscheidungen treffen zu können. Dabei werden unter anderem Methoden der Ökobilanzierung, ökonomische Bewertungen, GIS-basierter Ökosystemansatz (mit Fragen zum räumlichen Bezugsrahmen, s.o.) genutzt.
Aus Sicht der Teilnehmer*innen sollte das Querschnittsvorhaben deshalb vor allem aktiv werden um: 1) den räumlichen (ggf. auch inhaltlichen) Bezugsrahmen abzugrenzen; 2) das Verhältnis von Nachhaltigkeitszielen und Nachhaltigkeitsindikatoren mit den möglicherweise verschiedenen Herangehensweisen in verschiedenen Fachdisziplinen aufzudecken und zu klären; 3) konkrete Ansatzpunkte für Nachhaltigkeitsindikatoren der Projekte aufzugreifen und 4) einen Beitrag zum Diskurs des Spannungsfelds „Handhabbarkeit regionaler bzw. lokaler Nachhaltigkeitsindikatoren“ versus „Vielschichtigkeit regionaler Entwicklung“ bezüglich Grenzen und Aussagekraft von Indikatoren aber auch zu Anreiz durch klare/knappe Indikatorensets beizutragen.
Chancen und Herausforderungen sowie Rahmenbedingungen für die Praxis in der Region
Fragen der Umsetzung und Verstetigung sind zentral für die Anwendung in der Praxis. Z.B. wer erhebt und pflegt Indikatoren, wer treibt die Zielerreichung gemäß den regionalen Nachhaltigkeitszielen voran und wie kann die Verstetigung vor Ort gewährleistet werden. Für eine erfolgreiche Operationalisierung der SDGs auf kommunaler Ebene wird eine Verknüpfung mit etablierten Instrumenten und existenten lokalen Strategien (z.B. bestehende Planverfahren wie FNP, B-Plan) als wesentlich erachtet.
Prioritärer Austauschbedarf der Teilnehmer*innen wurde einerseits mit den Akteuren vor Ort gewünscht und andererseits mit thematisch ähnlich gelagerten Forschungen (z.B. SDG-Indikatorvorhaben der Bertelsmann Stiftung, Ressortforschungsplan des Bundes). Bund und Länder sollten integriert werden, da die nationale, regionale und lokale Ebene in ihren Strategien und Vorgaben zu den SDGs harmonisiert werden sollten (z.B. müssen Landesentwicklungsprogramme zu den lokalen Ansätzen passen).
Das Querschnittsvorhaben sollte deshalb die Umsetzung von Beginn an unterstützen, z.B. durch Regionalworkshops mit den Vorhaben in räumlichen Clustern. Der Austausch mit relevanten Vorhaben außerhalb der Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus sollte gesucht werden (z.B. Bertelsmann Stiftung). Das Querschnittsvorhaben kann die o.g. Harmonisierung mit Bund und Land vorantreiben, vielleicht auch hier über entsprechende Austauschformate oder etablierte Kreise (z.B. IMA Stadt, wobei dort zuletzt die Länder kaum vertreten waren).
Konkrete Austausch- und Kooperationsbedarfe, relevante Fragestellungen und geeignete Formate
In den Projekten gibt es - ebenso wie in der Gesellschaft - keine klare, harmonisierte oder gar normierte Definition von regionaler Nachhaltigkeit. Hier gilt es zu klären, ob regionale Nachhaltigkeit „top-down“ aus den SDGs und der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie heraus deduziert werden kann oder „bottom-up“ von den Akteuren in der Region definiert werden muss. Aus Querschnittssicht stellen sich Fragen nach der Zielgruppe und dem Zweck, nach der Begrenzung und gegebenenfalls Fokussierung sowie nach systemischen Besonderheiten regionaler Nachhaltigkeitsziele und -strategien, um essentielle Bausteine eines gemeinsamen Verständnisses / Konzeptes zu bestimmen.
Weiteren konkreten Austauschbedarf gibt es zu den Leitbildern der Nachhaltigkeit, zu den Schwerpunkten der Vorhaben bezüglich fokussierter Themen-, Problemfeldsetzung sowie zur Verortung gegenüber den Nachhaltigkeitszielen (SDGs). Ein weiteres Feld für Austausch ist der Diskurs zu Zielen, Bewertungsverfahren und Erreichung (Monitoring) regionaler Nachhaltigkeit, etwa dazu, was als essentielle regionale Nachhaltigkeitsindikatoren (über spezifische lokale und inhaltliche Kontexte hinweg) zu verstehen ist. Hier kann Digitalisierung ein Hilfsmittel sein. Herausforderungen bestehen aber insbesondere in Bezug auf die Skalierung und Determinierung von Indikatoren regionaler nachhaltiger Entwicklung.
Grundsätzlich wünschten sich die Teilnehmer*innen einen Austausch auch innerhalb regionaler Cluster der Vorhaben (Mecklenburg-Vorpommern; Mitteldeutschland; Köln-Bonn). Um die Kompetenzen der Beteiligten zu überblicken, wurde vorgeschlagen Ansprechpartner*innen für bestimmte Themen in den Vorhaben zu benennen oder analog zu den Projektsteckbriefen Steckbriefe der Beteiligten (Mitarbeiter*innen) mit deren Kompetenz- und Interessensprofilen sowie Tätigkeitsschwerpunkten zu erstellen. Diese könnten über die Website der Fördermaßnahme zugängig gemacht und so den direkten Austausch erleichtern.
Moderation: Lutke Blecken, Institut Raum & Energie
Einführung
Etablierte Regulierungs- und Steuerungsgrundsätze sind nach wie vor meist auf administrative Grenzen ausgerichtet und binden stadt-regionale Beziehungen häufig unzureichend ein. Daher ist es erforderlich neue Instrumente, Anreize und Steuerungsansätze für nachhaltige Stadt-Land-Partnerschaften zu entwickeln und zu erproben. Das ist zwar kein neues Thema, sondern bereits seit Jahren in der Diskussion und es gibt bereits vielfältige auch umgesetzte Ansätze, aber trotzdem sind nach wie vor Defizite zu beobachten. Nicht zuletzt deswegen sind Organisationsformen auch ein Thema in Stadt-Land-Plus, das von allen Verbünden mit z.T. sehr unterschiedlicher Schwerpunktsetzung behandelt wird, z.B. in Bezug auf
- einzubindende Akteure,
- den Grad der angestrebten Institutionalisierung oder
- den räumlichen Bezug.
Impulse
Vor diesem Hintergrund wird der Syntheseworkshop durch zwei Impulse aus den Verbundprojekten StadtLandNavi und WERTvoll eingeleitet. Beide Projekte arbeiten in der Region Leipzig, weisen aber einen deutlich unterschiedlichen thematischen Ansatz, unterschiedlichen räumlichen Bezug und damit auch deutliche Unterschiede hinsichtlich der Herangehensweise an Organisationsformen auf und verdeutlichen die Spannbreite der Thematik in Stadt-Land-Plus.
Thomas Zimmermann und Judith Gollata, HafenCity Universität Hamburg, verdeutlichen, dass ein nachhaltiges Flächenmanagement in Stadtregionen konzeptionell an räumlichen Verflechtungen und weniger an administrativen Grenzen auszurichten ist, weshalb hierfür Institutionen und Organisationen erforderlich sind, die ebenfalls an räumlichen Verflechtungen ausgerichtet sind. Bisher wird das Thema in der Region Leipzig-Westsachsen vom Regionalen Planungsverband formell bearbeitet. Eine darüber hinausgehende Abstimmung der Siedlungs- und Kulturlandschaftsentwicklung gibt es allerdings nicht. Der Grüne Ring Leipzig verfolgt bisher andere, weniger konfliktträchtige Themen. Daher sollen in StadtLandNavi die bestehenden regionalen Governance-Ansätze analysiert und mögliche Weiterentwicklungen erarbeitet werden. Ein erster Ansatzpunkt könnte eine sich derzeit etablierende Runde des Leipziger Oberbürgermeisters mit seinen Umlandgemeinden sein.
Das Projekt WERTvoll versucht eine regionale Kreislaufwirtschaft aufzubauen und damit die regionale Wertschöpfung zu erhöhen, indem es eine kooperative Landnutzungsstrategie erarbeitet und versucht marktorientiert Mehrnutzungskonzepte aufzubauen. Dafür stützt sich das Projekt, so Frank Wagener von Hochschule Trier in seiner Präsentation, auf die bereits etablierte, aber informelle Zusammenarbeit der Interkommunalen Gemeinschaft Wurzener Land und der Stadt Leipzig. Die interkommunalen Organisationsstrukturen sollen für das Projekt durch Stabsstellen verknüpft werden.
Diskussion
In Kleingruppen werden anschließend Themen und Zielsetzungen, Chancen und Herausforderungen für die kommunale/regionale Praxis sowie Kooperations-/Austauschbedarfe im Rahmen von Stadt-Land-Plus und Formate hierfür diskutiert.
Themen und Zielsetzungen:
- Die Themenstellungen, für die Organisationsformen betrachtet werden, variieren stark zwischen der inhaltlichen Ausrichtung der Verbundprojekte in der Fördermaßnahme „Stadt-Land-Plus“. Sie reichen von den „klassischen“ Themen Wohnen, Siedlungsentwicklung, Einzelhandel und Verkehr, über die Betrachtung von ökologischen Aspekten bis zum Aufbau von Wertschöpfungsketten und Märkten für regionale Produkte.
Chancen ergeben sich v.a. durch folgende Aspekte:
- Nutzung und Weiterentwicklung bestehender Organisationsstrukturen
- Freiwilligkeit der Zusammenarbeit
- Ausgleich von Interessen
- Sichtbarkeit von Mehrwert und Ergebnissen
- Steigerung von Effizienz und Effektivität durch eine Zusammenarbeit, auch in Verbindung mit einer Wahrnehmung von Aufgaben durch eine größere Kommune
- Einbindung der Kommunalpolitik, aber je nach Themenfeld auch der Wirtschaft
Folgende Herausforderungen ergeben sich:
- Herstellung von Verbindlichkeit
- Politische Legitimation von regionalen Organisationsstrukturen
- Einbindung von Politik: Abgabe von Entscheidungsmacht, Beschränkung kommunaler Akteure durch eine Zusammenarbeit
- Bedeutung von Einzelpersonen
- Heterogene Räume
- Berücksichtigung bestehender Vorgaben
- Veränderungen von Verflechtungen, Ungewissheit
Austausch- und Kooperationsbedarfe sowie Formate
- Als sinnvoll wird eine Diskussion über den Begriff und das Verständnis von Governance erachtet, da die Herangehensweisen zwischen den Projekten sehr unterschiedlich sind.
- Hilfreich kann eine Diskussion unterschiedlicher Organisationsansätze sein, wobei angesichts regionaler Spezifika eine Vergleichbarkeit geprüft werden muss.
- Angesichts der Bedeutung einer Herstellung von Verbindlichkeit wird hierzu ein weiterer Austausch gewünscht. Daher sollte auf weiteren Veranstaltungen auch eine stärkere Einbindung der Politik geprüft werden.
- Ein weiterer Austausch wird zum methodischen Vorgehen sowie zu möglichen Beteiligungsverfahren und -formen gewünscht.
Moderation: Dr. Michael Melzer, Institut Raum & Energie, und Christoph Rau, Umweltbundesamt
Einführung
Dr. Michael Melzer, Querschnittsvorhaben, erläutert mit neun Thesen, warum erwartet wird, dass das Thema Digitalisierung für alle Verbundvorhaben relevant sein sollte.
- Digitalisierung verändert alles - Alltag, Geschäftsmodelle, Branchen, ... aber auch Städte und Gemeinden, Landkreise und Regionen. Daraus resultiert eine Gestaltungsverantwortung des Staates und der öffentlichen Verwaltung.
- Eine leistungsfähige digitale Infrastruktur ist heute für die Wirtschaft eine unabdingbare Arbeitsbasis.
- Im privaten Lebensbereich ist eine schnelle Internetverbindung für viele Menschen ein wichtiges Mittel ihrer Lebensgestaltung und damit eine Frage ihrer Lebensqualität.
- Die Digitalisierung wird in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung zu einschneidenden Veränderungen führen.
- Auch der Kontakt der Verwaltung mit Bürgerinnen und Bürgern wird sich in diesem Zusammenhang deutlich verändern.
- Bei der öffentlichen und privaten Daseinsvorsorge eröffnet die Digitalisierung neue Chancen und Möglichkeiten.
- Unterversorgung diskriminiert betroffene Unternehmen, Verwaltungen und alle Bürgerinnen und Bürger.
- In peripher gelegenen strukturschwachen Regionen muss aktuell eine erhebliche Unterversorgung beim Breitbandausbau, insbesondere beim Glasfaserausbau festgestellt werden. Deutschland ist hier nur Mittelmaß. Dies verstärkt ohnehin vorhandene regionale Disparitäten und ist eine große Herausforderung bei der Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse.
- „Starke“ Regionen sind bereits auf dem Wege, Digitalisierung als Markenzeichen und Standortvorteil zu nutzen. Partnerschaften mit dem Umland müssen eingefordert werden. Metropolen müssen es als Aufgabe im eigenen Interesse verstehen, das Umland auf dem Weg in eine digitalisierte Welt „mitzunehmen“, um neue Stadt-Land-Konflikte und Disparitäten zu vermeiden.
Impulse
Nach dieser kurzen Einführung stellt Dr. Dr. Dietmar Mehl, bioata – Institut für ökologische Forschung und Planung GmbH, mit seiner Präsentation das für den Verbund PROSPER-RO in Entwicklung befindliche GIS-basierte Entscheidungssystem (EUS) vor und Anna Dunkl, Leibniz-Institut für Länderkunde und Björn Braunschweig, Friedrich Schiller Universität Jena, zeigen in ihrer Präsentation für Interko2 den strategischen Ansatz „Einfachheit vs. Komplexität – Digitalisierung im interkommunalen Flächenmanagement“.
Kernaussagen der beiden Inputs sind:
- Die Datenmasse – insbesondere, wenn in interkommunalem, regionalem Verbund gearbeitet wird - ist ohne Digitalisierung nicht zu bewältigen. Wenn Daten nicht nur „gebunkert“, sondern genutzt werden sollen, braucht es Digitalisierung.
- Digitalisierung setzt Standardisierung der Daten voraus. Dann trägt sie ganz wesentlich zu Transparenz und Vergleichbarkeit bei.
- Über GIS-basierte Systeme können (planerische) Entscheidungen sehr viel schneller, fundierter und vor allem integrativer vorbereitet werden.
Diskussion
Anschließend werden die aufgeworfenen Fragen vertieft und zentrale Herausforderungen sowie Austauschbedarfe definiert:
- Die Grundaussage, dass Digitalisierung eine wesentliche Voraussetzung für die Bearbeitung komplexer Aufgaben im interkommunalen, regionalen Verbund ist, wird einvernehmlich unterstützt. Die meisten Verbünde sind deshalb mit dieser Fragestellung befasst.
- Beim Herangehen an das Thema Digitalisierung müssen unbedingt zwei Zielrichtungen beachtet werden. Digitalisierung darf nicht nur als Instrument zur planerischen Aufgabenbewältigung gesehen werden. Digitalisierung und digitale Angebote eröffnen auch vielfältige Möglichkeiten, innerhalb der Region eine höhere Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und gleichwertige Lebensbedingungen zu generieren. Beispiele sind Mobilitäts- und Bildungsangebote.
- So verstanden eröffnet Digitalisierung tolle Chancen. Wichtig ist dabei, dass die Menschen auf dem Weg in die Digitalisierung mitgenommen werden und dass durch die mit der Digitalisierung verbundene Standardisierung nicht Vielfalt und Kreativität verloren gehen.
Im Hinblick auf die weitere Bearbeitung im Rahmen der Fördermaßnahme wird festgestellt, dass es noch nicht um Produkte gehen kann, dass aber ein frühzeitiger Know-how-Austausch zu geeigneten Systemen (GIS) sowie zu organisatorischen, methodischen und rechtlichen Fragen (auch Datenschutz) für sehr hilfreich eingeschätzt wird. Dies gilt auch für den Austausch zu Handlungsfeldern, in denen Digitalisierung einen Beitrag für eine nachhaltige Regionalentwicklung und gleichwertige Lebensverhältnisse leisten kann.
Moderation: Dr.-Ing. Uwe Ferber, StadtLand GmbH
Einführung
Ziel der Synthesewerkstatt ist es, Erfahrungen, Fragen und Methoden zu Kommunikation und Verstetigung auszutauschen. Interne und externe Kommunikationsstrategien werden auch mit dem Blick auf ihren Beitrag zur Verstetigung der Projektergebnisse diskutiert.
Impulse
Im ersten Impuls berichtet Enrico Stahlkopf vom Landkreis Vorpommern-Greifswald (VoCo) vom Projekt Unidorf und seinen Erfahrungen im datenbasierten kommunalen Bildungsmanagement. In einem Landkreis mit 140 kleinen Kommunen und Ortschaften und vielen ehrenamtlichen Bürgermeistern kommt es auf passgenaue Kommunikationsangebote an. Wissen muss daher in transferfähige Formate und Strukturen überführt werden. Bildung wird als gegenseitiges Geben und Nehmen von Wissen auf Augenhöhe und fachlicher Grundlage verstanden. Im Projekt Unidorf leben und arbeiten Studierende der Universität Neubrandenburg über eine Woche hinweg in kleinen Kommunen des Landkreises. Fachliche Grundlagen und Daten werden vom Landkreis zur Verfügung gestellt. Im Dialog mit Bewohner*innen geling es den „unbelasteten jungen Studierenden“ Probleme zu benennen und Lösungsansätze zu entwickeln. Kreativität und Querdenken sind erwünscht und akzeptiert.
Dr. Bernard Wagner vom Wassergut Canitz GmbH (WERTvoll) stellt Prinzipien und Wege zur Kommunikation und Verstetigung in einer von starken Nutzungskonflikten geprägten Umland-Situation vor. Die Canitz GmbH in Thallwitz bei Leipzig ist eine schon vor fast 100 Jahren gegründete 100%-ige Tochtergesellschaft der Leipziger Wasserwerke. Als Agrarunternehmen im BIOLAND-Verband für ökologischen Landbau ist das Unternehmen gleichermaßen für ökologische Nahrungsmittelerzeugung und die Trinkwasserqualität verantwortlich. Kommunikation und Überzeugungskraft bei der Umsetzung von Maßnahmen erfordern daher auch eine ökonomische Argumentationsebene. Fast alle der im Gebiet aktiven Landwirte haben ihre Profession studiert und arbeiten unter den gegebenen Rahmenbedingungen auf hohem professionellem Niveau. Grundvoraussetzung einer funktionierenden Kommunikation ist die Augenhöhe und Offenheit, um z. B. zur Umstellung auf Ökolandbau zu überzeugen und beraten zu können. Hier setzt die Strategie von WERTvoll an.
Arian Matthias Gülker von der Schweisfurth Stiftung (WERTvoll) berichtet von seinen Erfahrungen aus der Mitmach-Konferenz im Chiemgau (120 - 140 Teilnehmer*innen). Die Mitmach-Konferenz konnte partizipativ-kommunikative Prozesse anstoßen. Diese wurden nahe an den Interessen der Beteiligten interaktiv entwickelt und sollen zur Verstetigung führen. Die Teilnehmer*innen werden an kleinen Dialogtischen mit vier augenscheinlich einfachen Fragen konfrontiert: „Was ist sofort möglich?”, „Was wird gebraucht?” (Instrumente, Tools, Werkzeuge, Rohstoffe), „Wer ist für was verantwortlich?” (Verantwortliche benennen), „Bis wann passiert was?” (Zeitaspekte, Zeiträume, kurz- bis langfristig). Als Planungshilfe werden in grafischer Form eines U-Bahn-Fahrplans gemeinsame Wege und Schnittstellen aufgezeigt. Daneben ist es Ziel, dauerhaft Synergien und Verknüpfungen zwischen den Teilnehmer*innen zu schaffen. Die Konferenz ist auf anderthalb bis zwei Jahre angelegt und beinhaltet etwa alle sechs Monate kleinere Workshops zur Verstetigung.
Diskussion
In der Diskussion tauschen sich die Teilnehmer*innen zu ihren internen und externen Kommunikationsstrategien und der Verstetigung der Ergebnisse aus. Weitgehende Übereinstimmung weisen die Vorhaben in ihrer internen Kommunikation bei der Nutzung von klassischen Instrumenten auf (Bündelung der Kommunikation in Geschäftsstellen, Steuerungs- und Lenkungsgruppen, zentrale Datenbereitstellung, Arbeitsgruppenformate, Webseite).
Interne Kommunikation:
- Geeignete interne Formate können moderierte Werkstattgespräche z. B. über Szenariobetrachtungen sein.
- In der internen Kommunikation sollte in Stadt-Land-Plus besonders auf die „Augenhöhe“ zwischen den Kommunen geachtet werden. Bei großen Organisationen können zudem interne Hierarchien und Abläufe Wissenstransfer und Wissensbeschaffung behindern.
Externe Kommunikation:
- Es wird angeregt, eine professionelle Agentur für die PR-Arbeit einzuschalten (NEILA). Schon die Erstansprache z. B. von Kommunalpolitikern kann über Erfolg und Misserfolg von Vorhaben mitentscheiden. Eine offene Kommunikationsstrategie kann Wege aufzeigen, z. B. die Kommunalpolitik frühzeitig mitzunehmen und einzubinden. Dies gilt insbesondere bei Stadt-Land-Plus-Vorhaben, die neue Organisationsstrukturen, Produkte und Vermarktungsstrategien entwickeln.
- Kontrovers diskutiert werden die argumentativen Linien in der externen Kommunikation mit Landwirten. Einer stärker der ökologischen Verantwortung verpflichteten Ansprache mit Themen des Natur- und Umweltschutzes (VoCo) wurde ein klar auf wirtschaftliche und rechtliche Rahmenbedingungen orientiertes Argumentationsmuster gegenübergestellt (WERTvoll).
- Als geeignetes Instrument der externen Kommunikation sollte eine stärkere Präsenz auf Fachmessen wie EXPOREAL oder POLIS durch Stadt-Land-Plus-Vorhaben erfolgen.
Impressionen der Kleingruppen
Diskussionsrunde
Die Auftaktveranstaltung wurde mit einer Schlussrunde abgeschlossen mit
- Bernd Laqua, Bürgermeister der Gemeinde Bennewitz, WERTvoll
- Dr. Patricia Schläger-Zirlik, Europäische Metropolregion Nürnberg, ReProLa
- Prof. Dr. Hans-Joachim Linke, Technische Universität Darmstadt, WieBauin
- Moderation: Dr. Stephan Bartke, Umweltbundesamt, Querschnittsvorhaben
Ziel der Abschlussdiskussion war es, die Perspektiven der vielfältigen in der Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus vertretenden Akteure zusammenzuführen und festzuhalten, wie die Zusammenarbeit in Stadt-Land-Plus zur nachhaltigen Stärkung der Stadt-Land-Beziehungen deutschlandweit beitragen kann.
In der von Dr. Stephan Bartke (Querschnittsvorhaben) moderierten Diskussionsrunde nahmen als Vertreter der kommunalen Praxis der Bürgermeister der Gemeinde Bennewitz in Sachsen, Bernd Laqua (WERTvoll), als Vertreterin der Regionalverbünde Dr. Patricia Schläger-Zirlik, Geschäftsstelle Europäische Metropolregion Nürnberg e.V. (ReProLa), und als Vertreter der Wissenschaft Prof. Dr.-Ing. Hans Joachim Linke, TU Darmstadt (WieBauIn), teil.
Zunächst befragt nach ihren zentralen oder überraschendsten Erkenntnissen der Auftaktveranstaltung verweisen alle Podiumsteilnehmer*innen auf den fruchtbaren intensiven und produktiven Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft. Einige Vorhaben wie ReProLa können bereits auf eine etablierte Zusammenarbeit aufbauen, während andere Konsortien am Beginn der gemeinsamen Arbeit stehen. Für Stadt-Land-Plus ist der transdisziplinäre Charakter ein konstituierendes Element: die Forschung umfasst nicht nur unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen (Natur-, Ingenieurs- und Sozialwissenschaften), sondern schließt die Praxispartner aus Kommunen, Verbänden und der Wirtschaft prominent mit ein. Das bedeutet allerdings auch, zunächst eine gemeinsame Sprache zu finden. Einige Vorhaben stehen noch am Anfang und müssen in ihrem transdisziplinären Herangehen auf klarere Begriffsdefinitionen aufbauen. Positiv überrascht hat die Praxis der breite und problemorientierte Ansatz der Stadt-Land-Forschung, der zur Überwindung vieler gewohnter Denkschemata beitragen wird.
Deutlich wurde dies auch an den beispielhaft diskutierten Produkten der Vorhaben. Bei WieBauIn fließen neue Erkenntnisse zur Kreislaufwirtschaft von Baumaterialien unmittelbar in Geschäftsmodelle ein. Ein für die Metropolregion Nürnberg in ReProLa zu entwickelndes Leitbild der Stadt-Land Kooperation soll in institutionalisierte Spielregeln der Flächenentwicklung münden und so die Rahmenbedingungen für regional nachhaltige Produkte und Dienstleistungen des Umlands für die Stadt verbessern. Auch in der Umlandregion Leipzig wird durch die Konstellation „auf Augenhöhe“ die Wertschätzung für die vom ländlichen Raum erbrachten Dienstleistungen steigen und Produktentwicklung in der Land- und Wasserwirtschaft möglich. Hierfür stellt Stadt-Land-Plus eine einmalige Chance dar, auch kleineren Kommunen im Umland und ländlichen Raum Werkzeuge und Strategien an die Hand zu geben, die die Disparitäten in den Verwaltungen (7.000 Beschäftige in Leipzig versus 10 Beschäftigte in Bennewitz) überwinden mit dem Ziel, in der Region gemeinsam zu einem starken Miteinander beizutragen.
Auf eine Nachfrage aus dem Publikum hin, kann noch einmal die besondere Bedeutung der Befassung mit Strategien und Bewertungen regionaler nachhaltiger Entwicklung betont werden. Dr. Stephan Bartke erläutert, dass das Thema „Regionale Nachhaltigkeitsziele verfolgen“ ein zentrales Querschnittsthema der Fördermaßnahme ist, weil es ein Kernelement der Förderbekanntmachung spiegelt. Von allen Vorhaben werden im Kontext ihrer spezifischen Arbeiten und Forschungsfragen Beiträge für die Konkretisierung und Operationalisierung regional nachhaltiger Entwicklung erwartet. Diese umfasst wirtschaftlichere Produktionsweisen und Wertschöpfung, ökologisch sensiblere Nutzung der knappen Ressourcen (insbesondere der Böden) genauso wie soziale Aspekte gleichwertiger Lebensverhältnisse. Letztere umfassen neben Aspekten der Gerechtigkeit vor allem auch ein Bewusstsein für regionale Verantwortungsgemeinschaften, wie Frau Dr. Schläger-Zirlik ausführt.
Die Diskussion fasst auch kritische Aspekte für eine erfolgreiche Arbeit zusammen. Neben der effektiven Vernetzung und transdisziplinären Arbeit innerhalb der Forschungsvorhaben wird auf die jeweils individuellen Forschungsaufgaben hingewiesen, marktfähige bzw. praxistaugliche Produkte zu entwickeln und in der Praxis zu implementieren und tauglich für eine Verstetigung und Übertragung auf weitere Regionen in Deutschland zu machen. Hierbei gibt es in Forschungsarbeiten naturgemäß Unsicherheiten bei der Entwicklung neuer regionaler Wertschöpfungsketten oder Instrumenten des Interessenausgleichs. Hier muss über geeignete Methoden der transdisziplinären Zusammenarbeit nachgedacht werden, aber auch über Formate des Transfers und der Implementierung, z. B. über Bildungsangebote.
Aus dem Publikum wird zudem angeregt, zukünftige Statusseminare stärker in aktuelle Diskurse einzubetten, etwa durch entsprechende Keynotes. Dieser Vorschlag wird grundsätzlich begrüßt und insgesamt konstatiert, dass gerade die enge Verzahnung zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik ein besonderes Kennzeichen der Fördermaßnahme Stadt-Land-Plus sein muss, um die Forschungsergebnisse gesellschaftlich in Wert zu setzen.
In der Gesamtschau wird sich Stadt-Land-Plus mittel- und langfristig am Erfolg bei den Anwenderinnen und Anwendern in der Planungs- und Verwaltungspraxis sowie der Marktfähigkeit der entwickelten Produkte messen lassen. Herbei sieht Prof. Linke eine Herausforderung für die Wissenschaft, ihre methodischen Ansätze mit Anwendungsbezug zu untersetzen und zugleich die Anforderungen des Wissenschaftssystems an Publikationen mit den Anwendungszielen zu vereinbaren.